Eine Stadt kennen lernen heißt sich in ihr zu bewegen. Wie sehen diese ersten Bewegungen aus und was wurde in Singapur gesehen?
Das Taxi ist für kleine Gruppen ein ideales Fortbewegungsmittel in Singapur. Bisher habe ich noch an keiner kommerziellen Stadtführung teilgenommen, sondern habe die Kreise um die Wohnung sukzessiv vergrößert, gerne zu fuß.
Kurze Besuche von Akteuren, die einen Zwischenstopp in Singapur machen, sind eine gute Gelegenheit, seine eigene Kenntnis der Stadt zu testen und zugleich zu verbessern. Es ist sehr einfach, hier zwei bis drei Tage mit einem kontrastreichen Programm zu füllen.
Von der größten Parade zum Chinese Newyear über Einkaufszentren verschiedner Inhalte hin zu künstlicher Natur kann hier einiges durchlebt werden. Eine kurze Liste von Bildern zeigt die intensive Vielfalt:
Die Akteure schwärmen aus. Die Interessen sind entweder spektakulär, geschäftlich oder sportlich.
Gelegentlich ist der Weg das Ziel. Dann zählen die Eindrücke, die Gefühle und die Differenz. Eine Dynamik entsteht, die dahin tendiert, diese Differenz zu minimieren, bis der Kontext normal erscheint.
Sofern jedoch der Weg das Ziel ist, dieser sich ändert und nicht stets zu den gleichen Orten führt, wodurch er zur Routine werden kann – gelegentlich passieren sogar hierbei Irritationen -, bedeutet der Weg als Ziel die konstante Veränderung.
Vergleichende Analyse – comparative analysis
Nichts anderes ist das Verfolgen der Differenz: Eine Zirkulation im Unterschied. Je weiter der Akteur von seinen Breitengraden und Längengraden entfernt ist, desto differenzieller und zugleich aufmerksamer wird er. Skripte liegen blank.
Zugleich erhält er durch vertraute Kontexte die Möglichkeit die Skripte mit zu gestalten, sich zu orientieren und zu verstehen. Etwa einen Blogartikel mit seinem eigenen Laptop zu schreiben, in deutsch zu sprechen mit Expats oder einfach den bürokratischen Gegebenheiten erliegen.
Besuche im Ausland haben doppelten Erkenntniswert. Einerseits werden weitere Facetten in die Betrachtung der Umgebung eingebracht, zum anderen zeigen sich die Beteiligten von anderen Seiten – durch Ungewohntes und Krisen, bzw. Irritationen.
Der Hinweis meines betreuenden Professors, Erhard Schüttpelz, dass ich den Akteuren folgen solle, kann meines Erachtens nur durch eine sehr detaillierte Dokumentation erfolgen.
Es handelt sich nicht um reduktionistische Ansätze, wie sie von Latour genannt werden. Erstens gilt nicht mehr: „Follow the natives“ wie Herr Schüttpelz es in ethnographischem Original an zweiter Stelle konkretisiert oder besser verwurzelt.
Zweitens interessiert nicht nur die eigene Kultur, wie sie die Soziologen traditionell untersuchen. Viel mehr werden Überkreuzungen untersucht, die in Singapur sehr häufig sind. Zumbeispiel trifft Mabanaft auf Oiltanking und Freundschaft auf Familie, wobei Europa und Indonesien über Singapur zusammentreffen. Ein einfaches Bildkurz vor dem Ende unserer Taxireise veranschaulicht dieses Networking:
Hier könnte ein pars pro toto entlarvt werden. Die Entstehung der Stadt aus einer „obscure fisher village“ (obskures Fischerdorf; Tafel unter der Statue des Entdeckers an der Sir Stamford Raffles Landing Site), letztlich eine Überkreuzung von Europa und Asien ist ein prominentes Beispiel hierfür. Seit etwa zweihundert Jahren verwandelt sich der Urwald hier zu einem business hub. Aber auch zu einem wohlhabenden Staat, der ins schwanken geratenen Banken wie der UBS im Herzen Europas mit Geld hilft.
Alles wie gehabt – Business as ususal
Bei einem meiner konstanten Gespräche mit wechselnden Taxifahrern (Ironie auf constant comparative analysis) habe ich den Grund für den Wohlstand des Staates erfahren: Singapur nimmt das Geld von seinen Taxifahrern. Diese bringen zu ihrer Arbeit Geld mit und sind zugleich Opfer der rigiden Geldstrafen dank unzähliger Regelungen und Kameras. – Für die Fußgänger oder Radfahrer stehen Zivilstreifen bereit, die Hand auszustrecken.
Das größte Taxiunternehmen ist demnach staatlich, die Fahrer zahlen SGD 90 pro Tag als Miete für ihr Auto und müssen den Sprit sowie den Kurs für die Lizenz selbst bezahlen. SGD 3000 kostet der Spaß. Inhalte sind Ortskenntnisse und Sicherheit.
Für private Zwecke darf das Auto nicht genutzt werden, der Schichtwechsel ist zwischen 16:00-17:00 Uhr. Viele Taxis sind rund um die Uhr im Einsatz. Gelegentlich unterscheiden sich Fahrer und Hirer (Mieter), beide werden im Wagen durch Schilder an Frontscheibe und Armaturenbrett auf der Beifahrerseite bekannt gegeben.
Neben Glücksbringern oder Schutztalismanen, hängen unzählige teilweise obligatorische – maximale Anzahl der Fahrgäste, Tarife -, teilweise zusätzliche Medien im und am Auto, die mit Fahrästen oder Göttern, bzw. Schutzengeln kommunizieren.
Die Informationen der Taxifahrer gehen von public housing (staatliche Wohnungen) zu öffentlichen Besuchen bei sowie Teetrinken mit dem Präsidenten im Garten seines zentral gelegenen Anwesens über Arbeitslosigkeit und fehlende Rente zu Religion und muslimischen Mützen als auch der Neigung vieler Singapuris zu Glücksspielen.
Irgendwann kommt stets das Ziel und die Unterhaltung wird unterbrochen. Das kapitalistische Ritual wird abgehalten, ein Maschine oder ein Netzwerk von Mautkollektor (1) und Zähler sowie Kreditkartenleser und Quittungsdrucker übernehmen.
Platztausch – Changing Places
Unsere temporären Plätze werden direkt von anderen übernommen, es sei denn wir steigen zwischen den Orten – etwa auf der Straße oder am Rande der Zivilisation am botanischen Garten – aus.
Ein starker Unterschied zur Seaside und der Riverside wurde im botanischen Garten deutlich. Die Luft steht still. Es ist erdrückend schwül. Wir sehnen uns nach Klimatisierten Räumen und starken Unterschiden von Innen und Außen. Der nächste Taxitrip führt zur Orchard Road. Die Türen werden geöffnet und die vibrierende Stadt übernimmt uns wieder.